Fortschritt beim INTERREG-Projekt „Lernen und Verstehen. Zukunft durch Erinnerung“ im 2. Halbjahr 2020

Im Rahmen des Projekts „Lernen und Verstehen“ hat es der Förderkreis Görlitzer Synagoge übernommen, didaktische Materialien zu erstellen, die künftig in der Synagoge über die Geschichte und Bedeutung des Gebäudes und über die jüdische Geschichte von Görlitz informieren sollen. Es handelt sich um einen Multimedia-Guide, zwei Filme und eine kleine Ausstellung.

Bei der Erstellung des Guides und der beiden Filme wurden im 2. Halbjahr 2020 entscheidende Fortschritte gemacht. Die Aufgabe kann inzwischen als abgeschlossen gelten: Guide und Filme stehen zur Verfügung, sobald die Corona-Situation eine Öffnung der Synagoge erlaubt.

Im 3. Quartal 2020 wurden die Drehbücher für die beiden Filme und die endgültige Textfassung für den Multimediaguide weitgehend fertig gestellt. Dazu war eine ständige, enge Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung Görlitz, der beauftragten Produktionsfirma musealis aus Weimar und dem Förderkreis notwendig. Folgende Aufgaben wurden im Juli, August und September 2020 bewältigt:

  • Begleitung der musealis-Projektleitung bei Dreharbeiten in Görlitz
  • Beschaffung/Recherche weiterer Fotos und Dokumente, einschließlich Klärung der Nutzungsrechte.
  • Verschiedene Zuarbeiten von Textbausteinen, Fakten und Bildern für Filme und Guide, sprachliche und inhaltliche Korrekturen.
  • Begutachtung und Bewertung der Texte für den Guide und des Rohschnitts für die Filme zur jüdischen Geschichte von Görlitz sowie zu früheren jüdischen Einwohner der Stadt. Abnahme der finalen Sprechertexte.
  • Prüfung der Kinderführung für den Guide einschließlich Korrekturen und Überarbeitung des Textes.
  • Begutachtung und Auswahl der Sprecherstimmen für die deutsche, englische, tschechische und polnische Führung auf dem Guide, für die Kinderführung und für die beiden Filme.

Im 4. Quartal 2020 wurden die beiden Filme fertiggestellt, ferner eine weitere Textversion zur Audioführung begutachtet und an der Konzeption für die Judaica-Ausstellung in der Synagoge gearbeitet. Im Einzelnen wurden folgende Aufgaben bewältigt:

  • Beantwortung von Rückfragen zu Übersetzungen, die auf Englisch, Tschechisch und Polnisch für Guide und Filme entstanden
  • Intensive Prüfung, neue Gliederung und umfassende Korrektur des Textes, dann der Audio-Tracks in Audiodeskription, der für ein separates Gerät zur Führung von blinden und sehschwachen Gästen entstand.
  • Prüfung und Korrektur des Feinschnitts für die Filme zur jüdischen Geschichte von Görlitz sowie zu früheren jüdischen Einwohner der Stadt.
  • Prüfung der fremdsprachigen Versionen für die Filme
  • Qualitätskontrolle der inzwischen gelieferten Geräte (Multimediaguide und Audioguide)

Vorort-Termin zur weiteren Konzeption der Judaica-Ausstellung in der Synagoge, Beratung mit Ines Haaser vom Kulturhistorischen Museum der Stadt Görlitz

Setzt den Davidstern wieder auf die Görlitzer Synagoge!

Foto: Noch mit Stern - Weihe der Görlitzer Synagoge 1911, © Ratsarchiv Görlitz

Foto: Noch mit Stern – Weihe der Görlitzer Synagoge 1911, © Ratsarchiv Görlitz

Am Morgen nach der Pogromnacht 1938 war der Brand in der Görlitzer Synagoge erloschen, die Ausstattung im Innern zu einem Teil vernichtet. Aber der goldglänzende Davidstern prangte noch immer über der Kuppel. Da kletterten einige Männer hinauf und hackten ihn ab. Der Stern fiel auf die Straße und wurde unter Johlen zertrümmert. Die „Görlitzer Nachrichten“ freuten sich, „dass nun endlich der Davidstern verschwunden ist, der bisher als Fremdling das Stadtbild unserer aufragenden Türme störte.“

Im Dezember 2020 wird die Synagoge als Kulturforum wiedereröffnet, nach langjähriger und aufwendiger Restaurierung. Viel Mühe wurde darauf verwandt, die Ausstattung – nur wenig beschädigt durch den Brand 1938 und zerstört durch Vernachlässigung nach 1945 –wiederherzustellen. Die Ausmalung wurde nach dem Vorbild von erhaltenen Farbresten vollständig erneuert. Die Platten für die Kalkstein- und Marmorverkleidung stammen aus denselben Steinbrüchen wie beim Bau der Synagoge. Die prachtvollen Jugendstilleuchter, von denen keiner erhalten war, werden Stück für Stück in Einzelanfertigung nach fotografischen Vorlagen rekonstruiert.

Und doch fehlt einiges: vor allem natürlich die Menschen, für die das Gotteshaus einmal errichtet wurde, aber auch die hervorstechenden Zeichen der jüdischen Religion, die das Gebäude dereinst schmückten. Es fehlen die Anfangsworte des Schma Jisrael, des wichtigsten Glaubensbekenntnisses des Judentums, die in hebräischen Lettern gekrönt von einem Davidstern raumbeherrschend an der Ostwand oberhalb des Thoraschreins zu sehen waren. Und es fehlt der große Davidstern über der Kuppel. der – wie auf allen alten Fotos zu sehen – früher weithin sichtbar und für jedermann verständlich aufzeigte, um was für ein Gebäude es sich handelte.

Wir plädieren dafür, den Davidstern wieder auf die Kuppel zu setzen. Er würde daran erinnern, welche Bedeutung Juden einmal für Görlitz hatten, und zum Ausdruck bringen, dass jüdisches Leben in der Stadt willkommen ist und zu ihr gehört. Der Davidstern sollte im „Stadtbild unserer aufragenden Türme“ wieder seinen Platz haben.

Schon bei der Grundsteinlegung der Görlitzer Synagoge 1909 wurde zum Ausdruck gebracht, dass ihr Bau „neben den anderen Gotteshäusern unserer Stadt auch Zeugnis geben [möge] für den Frieden und die Eintracht, in der wir mit den Bekennern der anderen Konfessionen leben, vereint mit ihnen überall, wo es gilt, Gutes zu schaffen, Not zu lindern, Kunst und Wissenschaft zu fördern, den Ruhm des Vaterlandes zu erhöhen, für das Heil unserer geliebten Vaterstadt zu wirken.“ Daran zu erinnern und neu anzuknüpfen in der heutigen pluralistischen Welt kann der Sinn eines weithin sichtbaren Zeichens wie des Davidsterns sein.

Das Berliner Schloss – Humboldtforum wird auf der Kuppel wieder von einem 4 m hohen Goldkreuz gekrönt werden, obwohl sich darunter keine Kirche mehr befinden wird (wie das bis 1945 der Fall war). Kulturstaatsministerin Monika Grütters bezeichnete dieses Kreuz daher als Gesprächsimpuls: „Dieses Kreuz ist allemal eine Einladung zum Dialog über Nächstenliebe, Toleranz, Weltoffenheit und über die Rolle von Religionen in unserer heutigen globalen Gesellschaft. Ich bin froh, dass andere Religionen uns in unserer Haltung auch ausdrücklich unterstützen.“ Das gleiche gilt mindestens ebenso für einen neuen Davidstern auf der Görlitzer Synagoge.

Dr. Markus Bauer

Dr. Marius Winzeler

Gedenken an den 9. November 1938

Das Gedenken an das Schicksalsdatum 9. November hat in Görlitz eine lange Tradition. So fand auch am 9. November 2020 die Gedenkveranstaltung anlässlich des 82. Jahrestages der Novemberpogrome 1938 mit Vertretern des Förderkreises Görlitzer Synagoge, der Stadtverwaltung Görlitz und der beiden größten Konfessionen statt, wenn auch bedingt durch die aktuelle Covid-19 Pandemie in deutlich kleinerer Form.

Die Veranstaltung wurde live an der Synagoge in Görlitz gesendet und zusätzlich aufgezeichnet. Hier haben Sie die Möglichkeit, die Veranstaltung noch einmal mitzuverfolgen: